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Zimmermannsgesellen auf Wanderschaft

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In Biberach an der Riss ist ein überbetriebliches Ausbildungszentrum für das Zimmererhandwerk, das einen sehr guten Ruf in Deutschland hat. Viele der Gesellen kommen gerne an diesen Ort zurück, an der sie während ihrer Ausbildung an einem mehrwöchigen Kurs teilnahmen. So kommen immer wieder Gesellen zu Besuch, die auf Wanderschaft sind, auch genannt Walz. Die Walz, sozusagen die frühe und traditionsreiche Art des heutigen „Work and Travel“ Reisens. Wobei der Vergleich etwas hinkt. Es gibt einiges an Regeln einzuhalten auf dieser Reise.

Martin B. und Alex B. sind aus dem Schwarzwald und besuchten nach vier Jahren wieder ihre Schule. „Wir besuchen unsere Lehrer und gehen in die Berufsschulklassen, um dort von der Walz zu erzählen“, so Martin. Standesgemäß reisen sie in der Zimmermanns-Kluft. Dazu gehört ein Hut, ein weißes Hemd, eine Weste und die Jacke. Die Hose hat einen Schlag, das heißt ab Knie wird das Hosenbein wie eine umgedrehte Trompete weit und kann einen Durchmesser von 65 Zentimeter haben. Diese weite Hose überdeckt die schwarzen Schuhe. Sinnvoll, damit keine Hobelspäne in die Schuhe fallen. Jedes Detail an der Kluft hat eine Bedeutung und einen Zweck.

Auffallende Kleidung

Die jungen Männer fallen auf in ihrer Kleidung. Andererseit ist es ein Erkennungszeichen und die Menschen sind offen für diese traditionsreiche Art des Lernen, Arbeiten und Unterwegs sein. Meistens. „In den Großstädten kennt man diese Tradition der Wandergesellen nicht mehr. Da wird man auch mal bespuckt oder provoziert“, erzählt Martin. Einmal wollte ein junger Mann den Wanderstock haben und drohte mit Gewalt, wenn er diesen nicht bekommt. Martin ist seit 1,5 Jahren und Alex seit 9 Monaten unterwegs. Auf der linken Schulter tragen sie ihr ganzes Hab und Gut, welches in einen Charly gewickelt ist. Charly ist ein Tuch, dass mit dem Namen der Vereinigung und Motiven bedruckt ist, zu der sie gehören. Der gewundene Wanderstab wird Stenz genannt. Der Ast war von einer Schlingpflanze wie eine Spirale umwickelt, daher diese gewundene Form.

Charly heißt das Bündel mit den Habseligkeiten. Das gesamtes Hab und Gut wird in ein großes Tuch eingeknotet. Dazu bedarf es einer speziellen Technik. Wenn es optimal geschnürt wurde, ist es eine 30 cm dicke und 70 cm lange Wurst, die dann auf der linken Schulter getragen wird. Dieses Bündel selbst wird auch Charlottenburger genannt, daher die Abkürzung Charly.

 

 

Drei Jahre und ein Tag nicht mehr nach Hause

Martin und Alex trafen sich zufällig in Norddeutschland. Sie gehören der Vereinigung der Rolandschacht an. Ihre Ehrbarkeit, so wird das Erkennungszeichen genannt, ist eine schmale blaue Krawatte und auf dem Charly sind neben den Motiven auch die Zugehörigkeit „Rolandschacht“ notiert. „Eine Vereinigung ist ein gutes Netzwerk. „Es gibt zirka sieben verschiedene Vereinigungen mit unterschiedlichen Regeln“ erklärt Martin. Die Wanderschaft von den Rolandsbrüdern dauert 3 Jahre und ein Tag und sie dürfen nicht näher als 60 Kilometer an ihren Heimatort. „Das kommt noch von früher. Als Geselle durfte man seinem Meister keine Konkurrenz machen“, fügt er hinzu. 60 Kilometer ist ein strammer Tagesmarsch. Auch heute gilt diese Regel viel zu Fuß oder per Anhalter zu reisen Die Reisekosten werden niedrig wie möglich gehalten. Wenn es nicht anders geht wie nach Kanada wird auch mal ein Flug gebucht. „Vermutlich werden wir auch einen Flug nach Afrika im Winter buchen“, so Alex.
Eine weitere Regel ist ohne Smartphone zu reisen. Unvorstellbar in der heutigen Zeit.

Alex und Martin sind Mitglieder der Rolandschacht. Dies ist eine Gesellenvereinigung von Bauhandwerkern. Bekannt sind die wandernen Zimmermannsgesellen.

 

 

 


Anstatt Smartphone funktioniert der Buschfunk

„Das geht ganz gut“, weiß Martin. Die Informationen werden auf der Straße gesprochen. Die Buschtrommel unter uns Walzgängern ist sehr gut. Außerdem treffen wir ehemalige Rolandsbrüder, die uns Treffpunkte nennen. „Wir haben auch Regeln, wann wir uns melden sollen. So weiß die Vereinigung wo wir gerade sind. Es soll ja keiner verloren gehen“ erzählt er. Ein Fall ist ihm bekannt, da hatte sich der Wandergeselle nicht mehr gemeldet. Auch die Familie wusste nichts. Es wurde im Netzwerk gefragt und er wurde gefunden. Der junge Mann ist nach zwei Jahren Wanderschaft ausgestiegen.

Reisen und Arbeiten

„Unser Wunsch ist drei Monate zu arbeiten und drei Monate zu reisen“ so Martin. Die Mitarbeit bei Projekten oder in Zimmermannsbetrieben wird entlohnt. Wir müssen uns in dieser Wanderschaft selbst finanzieren, daher freuen wir uns, wenn wir kostenlos übernachten können, egal ob auf dem Boden oder auf dem Sofa“, erzählen die 21jährigen Männer. Arbeit zu finden ist momentan kein Problem. „Es ist trotzdem oft ungewiss, wo wir am Abend schlafen und unterkommen werden – doch es passiert immer was“, sind sich die Gesellen einig.

Die beiden Männer trafen sich auf der Walz waren zusammen auf einer spanischen Insel um eine Finca zu bauen. Als nächstes wollen die Zimmermannsgesellen an den Bodensee, dann weiter nach Österreich und wenn es klappt sind sie im Winter in Südafrika.

 

 

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