Das Kunstmuseum Villa Rot präsentiert bis 2. August noch die Ausstellung „Es liegt was in der Luft – Duft in der Kunst. Die verschiedenen Exponate der Düfte verlocken mehrmals besucht zu werden. Einerseits ist es die Sprachlosigkeit, andererseits fasziniert es immer noch, wie unterschiedlich die Eindrücke von Gerüchen sein können. Düfte machen neugierig – auch im Gespräch wie andere Besucher den Geruch erlebt haben. Nachfolgende Impressionen beschreiben eine Auswahl der Exponate.
Der erste Raum im Museum Villa Rot ist dem „World Sensorium“ gewidmet. Mittlerweile ist ein Schild angebracht, doch erst beim Rausgehen das mit einem Tröpfchen Weltduft beträufelte Papierstäbchen mitzunehmen. Der Duft ist dominant, nach Jasmin riechend. Der Duft polarisiert die riechenden Besucher in ein „riech ich gerne“ oder „es stinkt“.
PRfoto_Gayil_Nalls_ von Fotograf_Henry_M._Linder
Der globale Duft wurde von Gayil Nalls zusammengestellt. Die Künstlerin und Chemikerin besuchte dafür offizielle Vertreter der Weltnationen und bat diese sich aus Pflanzen, Blumen oder Bäumen einen für das Land und seine Kultur typischen pflanzlichen Stellvertreter auszuwählen. 200 Länder-Vertreter beteiligten sich. Markant erscheint der Jasminduft im Weltduft. Die arabischen Länder haben sich den Jasmin als nationales Symbol gewählt. China wählte einen Jasminpflanze, Indien wählte Sandelholz und Deutschland die Traube. Der Anteil der gewählten Duftvertreter wurde mit Blick auf den Anteil der Weltbevölkerung in dieses World-Sensorium beigfügt.
Mehr dazu welches Land welches olfaktorische Symbol wählte ist unter Worldsensorium zu entdecken.
Im nächsten Raum ist an der Wand das Wort RAYMUND geschrieben. Die Wand wurde mit einer transparenten Lasur bemalt, die einen unsichtbar gelösten Duftstoff enthält. Erst wenn der Finger an der glänzenden Stelle eines Buchstaben reibt, entfaltet sich der Duft. Heribert Friedl erinnert per Riechen an den Erbauer der Jugendstilvilla Raymund von Fugger.
Danach folgt die ungewöhnliche Installation, der Leichenkühlraum, doch dazu später mehr. Rechts bevor es eine Treppe höher geht, ist eine Arbeit von Peter de Cupere. Er stellt ein erotisches Gemälde „L’Origine du Mond“ von Gustave Courbet (1866) seinem Werk aus einem Pinsel und einem Duftfläschchen gegenüber. Der Skandal liegt darin, dass das fast fotorealistische Bild aus dem Jahre 1866 die Nahansicht der weiblichen Genitalien zeigt. Ein zweidimensionales Bild. Das Werk erregt heute noch die Gemüter. Facebook hat dieses Bild, das ein Künstler im Februar 2011 postete, zensiert. Daneben de Cuperes Werk – ein Pinsel, hergestellt aus sorgfältig verarbeiteten Schamhaaren sowie ein kleiner Flacon mit Vaginalsekret, der Duft kann an einer weißen Leinwand erschnuppert werden. Es lässt sich trefflich darüber nachdenken, was ist eigentlich realer, intimer, Zensur geeigneter?
PRfoto Peter de Cupere: Smoke Room, 2010, Installation
Eine weitere Arbeit von Peter de Cupere ist gegenüber der Smoke Room. Ein dreidimensionales Stillleben. Der ehemalige Windfang der Villa wurde mit 750.000 Zigarettenstummeln akribisch ausgekleidet, ein Stuhl, ein Tisch und auf dem Boden noch einige abgebrannte Zigaretten.
Im ersten Stockwerk, rechter Hand in einem Raum, konzipierte Clara Ursitti die ungegenständliche Rauminstallation „Bill“. Der Duft ist deutlich erkennbar, aber schwer zu beschreiben. Sie entwickelte die Arbeit kurz nach dem skandalösen Verhältnis zwischen Monica Lewinsky und dem Präsidenten.
In einem anderen Raum ist eine Installation von Helga Griffiths. Der Raum wirkt wie ein übergroßes Mobile aus silberfarbenen Molekülen. Sie hat die zentralen Moleküle ihrer eigenen geruchsspezifischen Körperdaten identifiziert und sie in dem Raum duftlos aufgehängt. Die in Ehingen geborene Künstlerin sagte: „Geruch ist ein Code – eine Form von Identität und auf diese Weise ein Form des Porträts“.
PRfoto CMP concept Marcel v Brakel
Einen Selbstversuch der Wahrnehmung, des Riechens, des Hörens kann in der High-Tech-Installation von Marcel van Brakel und Frederik Duerinck sowie dem CMD Breda conept erlebt werden. Famous Deaths heißt diese unheimliche Installation. Es geht darum die letzten Augenblicke im Leben einer Persönlichkeit, dessen Tod in den Medien visuell stark verbreitet wurde, nachzuriechen. Der Tod bzw. die Erlebnisse unmittelbar zuvor von den vier Persönlichkeiten wurden nachkonstruiert. In der Installation im Museum Villa Rot kann der Mord von John F. Kennedy mit allen Sinnen gehört und gerochen werden. Der Mordanschlag am US-Präsidenten wurde 1963 via Fernsehen übertragen. Was über die Medien nicht transportiert wurde, war der Duft in Verbindung der Geräusche. Im Fernsehen wurde die Fahrt von Kennedy in seinem Wagen entlang den Straßen von Dallas gezeigt, der über ihn kreisende Hubschrauber, seine Frau an seiner Seite, die vielen winkenden Zuschauer. Und dann die Schüsse. Die Installation lässt diese Bilder, die weltweit ausgestrahlt wurden aus der Nähe erfahren. Der Duft von Leder der Limousine, vorbei an einer Pizzabude, der süße feminine Duft des Parfüms seiner Frau bis zu den Schüssen und einem ungewohnten spitzen kühlen Geruch. Vier Minuten verbringt der Besucher in dem dunklen Leichenkühlschrank, der mit einer schweren Tür geschlossen wird. Das Kopfkino startet mit Hören und Riechen. Obwohl die Geschichte bekannt ist, sich Bilder vor das geistige Auge schieben, ist das Erleben mit Gerüchen etwas sehr intimeres.
Jeder der diese Geschichte auf sich wirken ließ, sich vier Minuten in den Leichenkühlschrank legte, hatte das Bedürfnis sich mit anderen auszutauschen. Die Intensivität des Erlebten braucht Worte und so wird gefragt, wie die Wahrnehmung bei anderen Besuchern war. Gerade dieses Experiment lässt unmittelbar erfahren wie menschlich empfindsam auch berühmte Persönlichkeiten sind.
Übrigens wurde schon in den 50er Jahren versucht Düfte während eines Kinofilmes einfließen zu lassen, um die Unmittelbarkeit des Gesehenen zu vertiefen.
Zurück im Erdgeschoß auf dem Weg ins Kunsthaus Rot kann die Installation von Christine Söffing erschnüffelt werden. Söffing ist Synästhetikerin und lebt, arbeitet in Ulm. Sie koppelt den Geruchssinn mit Musik, dazu trägt ihre synästhetische Duft-Klang-Installation spielerisch bei. Es sind vertonte Pflanzendüfte. Ebenfalls ein kurzweiliges Experiment, weil jeder Tester (Riechen – Drücken – Hören) die Düfte unterschiedlich inspirierend empfindet. Während der eine den Duft von Kaffee kombiniert mit der Musik für nicht harmonisch hält, kann es bei der nächsten Person einen Begeisterungsanfall auslösen. Jedenfalls es gibt Gesprächsstoff.
Im Kunsthaus Villa Rot ist der Duft der Macht, das Imperium zu riechen. Der Italiener Luca Vitone hat mit Staub aus dem Bundesgerichtshof Karlsruhe, aus dem Deutschen Bundestag, von der Deutschen Bundesbank und aus Räumen des Pergamuseums Räumen großflächige Aquarrelle geschaffen. Maria Candida Gentila hat einen Duft geschaffen, der zuerst nicht unangenehm riecht, mit zunehmendem Aufenthalt in dem großen Raum allerdings zu muffig wird und der Wunsch nach frischer Luft wird verstärkt.
Eine wunderbare Begleiterscheinung ist nach der Ausstellung der Gang durch den Garten. Anschließend wieder in einer nahen Stadt. Es ist wie, wenn die Ausstellung den Geruchssinn, seine Wahrnehmung wieder belebt, erweckt, sensibilisiert, intensiviert hat. Dieses olfaktorische Erlebnis ist nur noch bis 2. August im Museum Villa Rot zu erriechen.
Ort: Museum Villa Rot & Kunsthalle Rot, Schlossweg 2, 88483 Burgrieden-Rot