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ZKM – Museum für Kunst und Medientechnologie

Das ZKM Karlsruhe steht schon lange auf meiner Wunschliste der Museen. ZKM heißt Zentrum für Kunst und Medientechnologie und zeigt unter dem Sammelbegriff GLOBALE verschiedene Ausstellungen rund um das Thema Daten, Überwachung, Mensch und Medientechnologie. Der Vorstand des ZKM Peter Weibel tituliert es als „Die „Renaissance 2.0“. Der Bereich Global Control and Censorship – Weltweite Überwachung und Zensur sowie die Infosphäre waren der Auslöser meines Besuchs. Wobei der Bereich Infosphäre mittlerweile beendet ist. Die GLOBALE endet am 31. Mai 2016

Rückblick:
10 Jahre dauerte es, bis ich wieder in der Eingangshalle des ZKM stand. Damals wickelte ich unsere fünfmonatige Tochter auf einer Bank nahe dem Hintereingang. Ich setzte sie wieder in den Babysafe, griff nach dem gewechselten Windelpaket und drehte mich um. Der damalige Ministerpräsident Oettinger kam gerade zur Tür herein und schaute mich an. Seine Bodyguards schauten auf meine Hände. Ich so: „Windelbombe, alles gut“. Breites Grinsen und ein Blick auf die Kleine. Und weiter ging es zum Kongress. Eine der Anekdoten, die ich mit dem ZKM verbinde.

Auch dieser Besuch wird unvergessen bleiben, da die An- und Heimreise mit der Bahn emotional ungewöhnlich war. Gut, das sind Nebenschauplätze, den der Blick richtet sich auf die Ausstellung in dem seit 1997 denkmalgeschützten Industriebau.

Ausstellung GLOBALE
In der Eingangshalle stehend habe ich mich in die rechte Hälfte der Hallen orientiert. Infosphäre lautete der Ausstellungsbereich, der mittlerweile beendeet ist. Der erste Blick fiel auf eine sehr großformatige farbige Grafiken – sie wirkten wie eine abstrakte Malerei. Entstanden sind diese Bilder aus Analysen von Instagram Bildern.  2,3 Millionen Bilder aus dreizehn Metropolen, Städten aus der ganzen Welt wurden heruntergeladen und ausgewertet. Analysiert wurde, welche Stadtbewohner gerne nachts fotografieren. Jedes Instagrambild, welches ein Instagramnutzer speichert Ort, Datum und Uhrzeit.  Eine andere Analyse hebt Farblieben heraus. Mehr Infos dazu unter Lab Softwarestudies

ZKM 001cEbenfalls im Bereich Infospähre war das Video von Oliver Laric. Es zeigt Reproduktionen, Kopien aus denen scheinbar immer wieder Neues entstanden ist. Es ist eine Diskussion wert, ob Kopiertes zu einem Original wird, weil es in einem aktuellen Zusammenhang gesehen wird. Der Gedanke, was ist wichtiger das Original oder die Kopie? Oder wieviele Versionen (Kopien) existieren gleichzeitig, wer weiß noch was das Original ist. Auf dem Bild ist exemplarisch eine Szene gezeigt – einmal mit Winnie Puuh und einmal die viel ältere Version von Mogli.

Ebenfalls in diesem Modul Infosphäre zeigte Jon Rafman Fotografien. Er nutzt neun öffentliche Google Street-View-Kameras und ihren täglichen Aufnahmen. Im entscheidenden Moment macht er ein Standbild. Er sieht sich als Fotojournalist, der den Augenblick festhält, wenn alles zusammenkommt. Mehr Beispiele unter 9-Eyes

ZKM 06 BiosensorAusprobiert habe ich auch die Installation Nonfacial Mirror von Scottie Chih-Chieh Huang aus Taipei. Es ist ein Spiegel, in dem sich ein Biosensor befindet der das Gesicht des Betrachters analysiert. Je mehr gelächelt wird, desto mehr blüht die virtuelle Löwenzahnpflanze auf. Hab sie zum Blühen gebracht. (Modul Infosphäre)

Irritiert war ich von den Postkarten des Clement Valla. Es sind keine typischen Urlaubsorte. Die Postkarten zeigen Landschaften, die nicht stimmen. Er zeigt Bilder von Google Earth, die einen realen Raum darstellen sollen. Es sind allerdings Fehler drin. Google Earth täuscht Dreidimensionalität vor.
Es wird auf die menschliche Erfahrung von Licht, Schatten und Landschaft gesetzt und damit Raumtiefe suggeriert. Dazu kommt, dass die flachen Satellitenaufnahmen, die über ein 3D-Modell gelegt werden ebenfalls Raumtiefe und Landschaft visualisieren. Wir meinen somit ein reales Bild von Google Earth zu erhalten, doch es ist technisch zusammengesetzt und es gibt Fehler, die die Postkarten zeigen. Gebogene Straßen, geknickte Flußläufe usw. Mehr zu sehen unter Clement Valla

Nachfolgende genannte Exponate sind bis Ende Mai zu sehen.
ZKM-17Das südkoreanische Künstlerduo Shinseungback Kimyounghun hat ein Jacket entworfen, dass mit Knöpfen benäht ist. Jeder Knopf ist eine Webcam und kann per Knopfdruck einen 360 Grad Rundumblick aufnehmen. Fühlt man sich mit dieser Jacke sicherer im Stadtraum? – ist der Träger Opfer oder Täter? Wer das Aposematic Jacket trägt kann sich vor Angreifern schützen in dem es das Warnsignal „I can record you“ sendet. Wenn es weiter gedacht wird: Wird dann der Stadtbesucher von den Überwachungskameras überwacht oder ist der Jacketträger der Überwacher?

Ebenfalls wird an anderer Stelle in der Ausstellung ein Stadtplan gezeigt, wo und wieviele Überwachungskameras in Karlsruhe installiert sind.

Auch das Thema Wasser wird in einem Ausstellungsteil (linker Bereich der Eingangshalle) betrachtet. Ein Kurzfilm, der mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Der Science Ficton Film heißt Pumzi (es ist Suaheli und bedeutet übersetzt Atem). Im ZKM sah ich nur die letzten 5 Minuten (Kurzversion). Der Link führt zum 21 minutigen Film. Es geht darum, dass Wasser kostbar ist und eine Pflanze ungewöhnlicher Weise keimte. Dieses Wunder sollte frei wachsen.

ZKM 07 Snowden Zimmer

ZKM – Snowden-Room

Charmant – das ZKM hat Edward Snowden einen geschützten Aufenthaltsraum mit Arbeits- und Grundausstattung vorbereitet. Weiterhin ist ein Briefkasten angebracht, in dem ihm Briefe gesandt werden. Die abgegebenen Briefe werden vom ZKM ungeöffnet nach Russland an Snowden zugestellt.

 

ZKM 03 Video FukiBeklemmend ist das Video der Live Camera Fukuichi, die auf das Atomkraftwerk Fukushima gerichtet ist. Im März 2011 löste ein Erdbeben die Nuklearkatastrophe aus. Ein Mitarbeiter nähert sich an diesem Tag atmend mit einem Fingerzeig auf die Kamera zu. Die Videokamera sendete kontinuierlich Aufnahmen vom Ort der Katastrophe.  Ein in der Folge als „Finger Pointing Worker“ bezeichneter, dem Künstler bekannter Arbeiter, nutzte diese Aufmerksamkeit. Künstler Kota Takeuchi, Pointing at Fukuichi, Live Cam 2011.

ZKM 11 DiskettenIn einem ganz anderen Raum sei erwähnt die Installation von Sascha Pohle. Hunderte von übereinander gestapelten CD- und DVD-Computerlaufwerke. Überbleibsel einer veralteten Technologie.

Insprierend ist sind auch die Fotos von historischen Beobachtungs- und Wehrtürmen. Damals als man sich vor Eindringlingen schützen wollte/mußte. Wobei – damals waren es Piraten und Eroberer – heute sind es Flüchtlinge. Eine andere Fotoserie zeigt Strände auf dennen sich die Menschen bewegen, sitzen, sich sonnen – während unter ihnen die Datenkabel zu anderen Kontinenten führen. Wieder ein andere Tafel in einem anderen Teil der Ausststellung gab genauen Namen und Standort des jeweiligen Kabels an, dass unterirdisch die Kontinente verbindet. Per GPS kann theoretisch jedes Datenkabel genau lokalisiert werden. Das Wort Eindringlinge, Datenfluß, grenzenlos, Datenschutz bekommt unter diesen Blickwinkeln eine andere Dimension.

ZKM 05 TukuliAuffallend war auch Turul – ein sagenhafter Vogel aus der ungarischen Mythologie. Turul ist ein göttlicher Bote, ein Symbol für Macht. Erik Mátrai hat eine Überwachungskamera so inszeniert, dass sie wie eine Art edler Vogel von der Decke herabschaut.

Immer wieder fürs Stehenbleiben und lesen sorgten die Zeichnungen oder poetischen Sätze von Dan Perjovschi wie: your money in the Bank; your data in the cloud, your future …

ZKM-16+Zum Stehenbleiben führen die „Girls Dogs“ von Julia Scher, die scheinbar den Plexiglasraum von Alicia Framis bewachen. Das ist nun meine Interpretation. Die gefährlich wirkenden Hunde aus Marmor haben jeweils eine Tonspur, die erklärt wie harmlos sie sind. Damit wird das Skurrille zwischen Verteidung und Angst sowie enge Beziehung dargestellt.
Die Plexiglas Installation heißt Confessonarium und soll einen durchsichtigen Beichtstuhl darstellen. Alicia Framis will laut Ausstellungstext die damit vorherrschende Heuchelei der Kirche präsentieren. Das Wechelspiel zwischen Transparenz und Überwachung wird angedeutet wie auch mit dem Wunsch, dass sich eine transparente Gesellschaft, die ihre Fehler selbst verantwortet sich auch verbessern kann.

Michael Bielick und Kamila B. Richter haben eine Projektion erstellt, einen sogenannten Dategeist der mit schwebenden, wellenförmigen Texten aus Twitter die Vorbeilaufenden bedeckt. In meinem Fall konnten sich die Buchstaben nur auf den Boden legen.

ZKM-13-PressefreiheitZKM-15Informativ der Raum von Reporter ohne Grenzen. Pressefreiheit und Zensur. Eine Tafel mit Rankings der Länder, die Journalisten unzensiert arbeiten lassen. Deutschland ist auf dem 12. Platz. Finnland auf dem ersten Platz des Rankinks. Auch die Todesfälle, Verhaftungen, Folterungen sind benannt. Blogger sind aufgeführt, ohne Zahlen.

 

 

 

ZKM 12Würden Sie nachfolgende Nummer wählen, wenn Sie wüßten, dass diese Nummer einem NSA-Whistleblower gehört, der überwacht wird? Sie wissen, dass Sie mit ihrem Anruf automatisch in das zu überwachende Personenumfeld geraten? Wollen Sie wirklich ein Leben führen, in dem Sie sich davor scheuen, vollkommen normale, legale Dinge zu tun, wie zum Beispiel eine Handynummer anzurufen?
Die Telefonnummer lautet: +49 (0) 174 276 6483.  Christian Sievers (Exoponat war ebenfalls im Modul Infosphäre präsentiert)

Und zu guter Letzt sei noch das Stockwerk mit Global Games genannt. Computerspiele. Computerspiele die über den Irrsinn von Bomben, Sklavenarbeit und weiterem spielerisch zum Denken anregen.

Ich werfe verschiedene Exponate vor Augen, doch diese hatten unterschiedliche Ausstellungszeiträume. Es kann also sein, dass einige der genannten Werke mittlerweile abgebaut sind. Da es ein fließendes ineinandergehen der Ausstellungsreihen ist, kann ich nicht mehr zuordnen – welches wo war. Daher mein Rat, sich auf die Ausstellung einlassen und je nach Thematik und Tagesstimmung interessiert Dich/Sie vielleicht ein ganz anderer Aspekt.

Wenn ich an meinen ersten Besuch im ZKM denke, würde mich die Reaktion von Günther Oettinger interessieren. Damals war er Ministerpräsident – heute arbeitet er in der EU für den Bereich Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologie (CNECT) sowie Datenverarbeitung. Genau das Ausstellungsthema. Wie ist es also mit unserem Schutz der persönlichen Daten? Er hat den Ruf, dass ihm der Schutz der persönlichen Daten nicht an höchster Stelle steht.

Ob sein Mobile auch seine Daten sendet, wenn es an dem Bildschirm im ZKM vorbeiläuft. Wie würde er schauen, wenn seine Daten für alle sichtbar auf dem Bildschirm stehen. Obwohl ich Namen sah, bin ich doch überrascht gewesen, als ich meinen eigenen Mobilenamen sowie meine genutzten WLAN-Netzwerke auf einem Bildschirm aufleuchteten. Es bleibt ein sehr unangenehmes Gefühl „ausgelesen“ zu werden. Ich hatte WLAN, GPS ausgeschaltet – trotzdem, der Sensor schnappte sich meine Daten beim Vorbeilaufen.

Schon ver-rückt. Vor 10 Jahren schaute man auf ein harmloses Windelpaket und wußte nicht, wie der Sicherheitsdienst nun mit einem umgeht. Heute werden unbemerkt meine Datenspuren abgesaugt. Irgendjemand maßt sich an, meine Reaktionen und Gedanken vorauszusagen und zu interpretieren. Was bringt uns die Zukunft?

Ort: ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Lorenzstraße 19,
76135 Karlsruhe, Telefon +49 (0)721 – 8100-0

Infos zu den verschiedenen Ausstellungen der  GLOBALE.
Vertiefende Informationen zum Bereich Globale-Control-and-Censorship.
Ausstellungsbeschreibung zu Globale-Control-and-Censorship
Besucherinfo
des ZKM

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