Oberschwaben-Welt

Kultur Leben Ausflüge

Biberacher Filmfestspiele 2022 – Gewinner

| Keine Kommentare

Filmfestbiber – eine Skulptur von Frieder Kobler.

Die 44. Biberacher Filmfestspiele sind bis 6. November 2022. Auffallend, dass dieses Jahr weniger Besucher die Filmfestspiele besuchten. Doch selbst, wer nicht die Gewinner-Filme gesehen hat, hat sehr gute Filme gesehen. Filme, die Brücken bauen zu Themen, mit denen man sich erst nicht beschäftigen wollte und dann den Cineasten überraschen und den Blick auf unsere Gesellschaft erweitern.

 

Einen Preis haben dieses Jahr folgende Filme gewonnen.

Schüler-Biber

Die fünfköpfige Schüler-Jury vergab den Schüler-Bibera, der mit 3.000 Euro dotiert und gestiftet von der Kreissparkasse Biberach ist an:

„Heartbeast“ von Aino Suni
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=_v7D40lgi8s

Jury-Begründung:
Er spricht Kino-Enthusiasten, jung wie alt an hinsichtlich:

  • der Diversität der Schauspieler*innen
  • der Kontraste zwischen den Charakteren als auch den verschiedenen Szenen und der darin herrschenden Atmosphäre
  • der Musik, deren Komposition sich kongenial in die Handlung des Filmes einpasst und die Storyline klarer macht und unterstützt
  • der überzeugenden schauspielerischen Darstellung der Hauptdarsteller*innen und
  • durch die herausragende Kameraführung.

 

Publikums-Biber

Die Publikums-Jury verleiht den Biber, gestiftet von der Biberacher Werbegemeinschaft e.V., der mit 2.000 € dotiert ist an

Die Stangenbohnen-Partei
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=G2Jd11acomw

Jury-Begründung: „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah“… fällt einem spontan zu diesem Film ein. Als wir den Film sahen, dachten wir sofort: „Das müssen wir uns unbedingt in Natura anschauen!“. Der Film ist eine Hommage an den guten Boden, aus dem alles Leben kommt – er macht Mut und weckt Sehnsucht nach einem einfachen, nachhaltigen Leben und zeigt, dass Geld weder glücklich macht, noch das Wichtigste im Leben ist. Der No-Budget-Film überzeugt durch authentische Darstellung, stimmungsvolle Musik, herrliche Landschaftsaufnahmen und die glückliche, zufriedene Ausstrahlung von Serena und Jared, die mit sich und ihrem Leben im Reinen sind. Der Publikumsbiber geht an den Dokumentar-Film „Die Stangenbohnen-Partei“ von Paddy Schmitt aus der Rubrik „Biberach Spezial“.

Aufgrund der unterschiedlichen Genre unserer Film-Auswahl fiel uns die Entscheidung zwischen dem Dokumentar-Siegerfilm und einem Spielfilm sehr schwer und es ist uns ein Bedürfnis, zusätzlich eine Spielfilm-Empfehlung zu geben: „The Ordinary“ beschreibt den Weg der jungen, hervorragend besetzten Protagonistin, die ihren Weg von der Neben- in die Hauptrolle sucht und sich dabei selbst zu verlieren droht.

 

Kurzfilm-Biber

Gestiftet von der IHK Ulm, dotiert mit 2.000 €. Die Kurzfilm-Jury teilte den Preis. Die beiden Gewinner lauten:

„Esther“ von Ana Scheu Amigo
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=sLfWxQXTc9k

und

„Killing Bagheera“ von Muschirf Shekh Zeyn
Trailer: https://vimeo.com/658141425

Jury-Begründung: Wir haben uns entschieden, den Preis für den besten Kurzfilm zu teilen. Denn beide Filme sind für uns gleichermaßen hervorragend. Einer dieser beiden Filme verwebt unterschiedliche Themen auf eine filigrane Weise miteinander: Alt und Jung, Stadt und Land, traditionelle und moderne Konzepte von Arbeit und der Verteilung von Rollen. Dabei sehen wir auf eine berührende Weise, wie unterschiedliche Welten auch ineinander verschmelzen dürfen, wenn sie zusammenstoßen – ohne einander auszuschließen. Hervorzuheben ist die einfühlsame Kameraführung, die all das einfängt, ohne zu stören, die sich in das wechselseitig entgegengebrachte Vertrauen gut einfindet. Spürbar wird das Band zwischen den Protagonisten und Protagonistinnen, das wie eine Seilbahn Berge zusammenführen kann. Herzlichen Glückwunsch an Regisseurin Ana Scheu Amigo und ihr Team von „Esther“!

Der andere Film (Killing Bagheera): Die Beziehung zwischen zwei Brüdern ist immer komplex, aber in diesem Film ist es dem Team gelungen, diese in andere Dimensionen zu heben: Es erzählt das komplexe Thema toxische Maskulinität von zwei Brüdern auf der Flucht in einer großen Einfachheit und Schönheit. In 13 Minuten schafft es der Film, uns nicht nur in die schrecklichen Umstände zu versetzen, mit denen die Hauptfiguren konfrontiert sind, sondern auch ihre Ängste zu entblößen. Der Kampf, im Tunnel, dem Bauch der Schlange, führt zwar auf die andere Seite, aber nicht aus der Gewalt, die sich zwischen den Brüdern breit gemacht hat. Herzlichen Glückwunsch an Regisseur Muschirf Shekh Zeyn von „Killing Bagheera“!

 

Biber für den besten mittellangen Film

Gestiftet von apero GmbH, dotiert mit 2.000 €

 „Triumph des Schauspielers“ von Daniel Holzberg
Trailer zu Triumph des Schauspielers:

Jury-Begründung: Diese Komödie schafft es, dem Thema Diskriminierung mit Leichtigkeit zu begegnen. Auf der Bühne der Filmbranche wird stellvertretend dieses Problem unserer Gesellschaft durchdekliniert. Der Schauspieler mit Migrationshintergrund, der versucht, aus dem Stereotyp für seine Besetzung auszubrechen, ist dabei ebenso komisch, wie nachfühlbar. Wir fiebern mit ihm mit, wie er seiner Passion nachgeht, die sich ausgerechnet in der Rolle eines Nazis verkörpert. Jede Szene überzeugt durch erzählerische und visuelle Details und hervorragend gesetzt Pointen. Ein rundes, sehr gut komponiertes Werk. Herzlichen Glückwunsch an das Team um den Regisseur Daniel Holzberg und Schauspieler und Co-Autor Ercan Karacayl „Triumph des Schauspielers“!

 

Doku-Biber

Gestiftet von Fa. LIEBHERR, dotiert mit 3.000 €

Gewinner: „(Im)mortels“ von Lila Ribi

Trailer:  https://www.youtube.com/watch?v=XbghoROtwRI

Jury-Beründung: Als Doku-Jury haben wir in den letzten Tagen acht ausgezeichnete, formal sehr unterschiedliche Werke gesichtet. Wir bedanken uns für den außerordentlich starken Wettbewerb. Durch die große Varietät der Filme war es für uns schwierig, Bewertungskriterien zu finden. Wir haben uns schließlich für das Kriterium der emotionalen Wirkung entschieden. Die Protagonistin Greti war der Überzeugung, sie sei 106. Dabei war sie am Ende der Dokumentation nur 103. Diese kleine wunderschöne Szene zwischen Großmutter und Enkelin beschreibt sehr gut die Protagonistin und ihren Esprit. Über 10 Jahre begleitete die Enkelin ihre Großmutter und erzählt auf liebevolle und feinfühlige Art die letzten Jahre Gretis. Der Tod ist ein universelles Thema. Dieser Film hat es geschafft, uns alle drei auf eine persönliche und doch gemeinsame Art und Weise zu berühren, mitzureißen, und an unsere eigenen Eltern und Großeltern zu denken, die wir teilweise schon verloren haben. Der Film ist eine Bereicherung für alle Generationen und eine Hymne auf das Leben und das eventuelle Leben danach.

 

Fernsehbiber

Gestiftet von OBI Biberach, dotiert mit 3.000 €

„So laut du kannst“ von Esther Bialas
Link zum Film in der Mediathek: So laut Du kannst

Jury-Begründung: Stellen Sie sich vor, Sie haben soeben ein Vergewaltigungsdrama gesehen. Das Licht geht an, der Kinosaal leert sich. Mit welchen Worten würden Sie Ihren Gemütszustand wohl am ehesten beschreiben? Sind sie aufgewühlt? Bestürzt? Haben Sie einen dicken Kloß im Hals? Hat sie das Drama der beiden jungen Frauen gefesselt? Für uns, die Jury, trifft all dies im Falle von „So laut du kannst“ zu. Aber noch viel mehr fühlen wir uns beschenkt. Beschenkt durch die präzise und einfühlsame Regie von Esther Bialas. Beschenkt durch die kluge Erzählweise der Autor*Innen Lilly Bogenberger, Isabel Kleefeld, Sophia Krapoth, David Weichelt und geradezu beglückt durch die Schauspielleistung von Nina Gummich und Friederike Becht die „So laut du kannst“ zu einem Erlebnis machen.

 

Debüt-Biber

Gestiftet vom Landkreis Biberach und der OEW, dotiert mit 3.000 €

Gewinner: „Bulldog“ von André Szardenings
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=DOe3KlcWssU

Jury-Begründung: Dieser spannungsgeladene Debütfilm hat die Jury bewegt und beeindruckt. Er ist ein Beispiel für das gelungene Zusammenspiel aller Gewerke: Drehbuch, Schauspiel und Inszenierung schaffen eine hohe Identifikation mit glaubhaft erzählten Figuren. Bildgestaltung, Ton und Montage greifen gekonnt ineinander, ziehen das Publikum in eine Welt, die örtlich stark reduziert ist und gleichzeitig doch seltsam weit. Mit viel Mut zum Unausgesprochenen offenbart sich eine schwierige Beziehung. Konsequent wird der Film aus der Perspektive der Hauptfigur erzählt. Ein gerade erwachsener Sohn und seine nur 15 Jahre ältere Mutter gaunern sich durch eine Urlaubsinsel. Kurz vor Beginn der Saison befinden sie sich in einer Zwischenwelt, die darauf wartet, dass sich etwas verändert. Kleine Momente, Blicke und Gesten lassen uns mit den Figuren fühlen, wir begreifen sie, ihre Haltlosigkeit, ihre Ziellosigkeit – aber vor allem, und das ist das Wichtigste: die Liebe in all ihrer Ambivalenz. Und die ganze Zeit klopft uns das Herz bis zum Hals. Ein großartiges Kino-Debüt, eine selten gelungene Mischung aus Improvisation und Präzision – BULLDOG!

 

Goldener Biber (bester Spielfilm)

Gestiftet von der Stadt Biberach, dotiert mit 8.000 €

Gewinner: „The Forgotten“ von Daria Onyshchenko
Trailer nicht in deutscher Sprache

Jury-Begründung: Ein Film, der so gegenwärtig ist und doch die Zeit verschiebt, der uns mitten in den Alltag eines Konfliktes katapultiert und doch ständig daran erinnert, was gerade jetzt, heute und im Moment des Krieges passiert. Hier wird die Identität eines Landes verhandelt, aber kein banaler Patriotismus propagiert. The Forgotten wirft uns kraftvoll und kompromisslos in das Spannungsfeld der selbst ernannten Volksrepublik Lugansk in der Ost-Ukraine im Jahr 2019. In sehr sensibler und differenzierter Weise schildert Onyshchenko die Komplexität der Situation anhand von mehreren Protagonisten, die nicht nur die Realität in der VR Lugansk, sondern auch in der gesamten Ukraine beleuchtet. Wie lässt sich ein Film, der in Lugansk spielt, vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse cineastisch beurteilen? Diese Aufgabe wäre schwer lösbar gewesen, hätte Regisseurin und Co-Autorin Daria Onyshchenko nicht eine Parteinahme tunlichst vermieden. Ihr zweiter Langfilm »Die Vergessenen« ist kein ukrainischer Propaganda-Film.

Der detaillierte filmische Blick und die hervorragend herausgearbeiteten Milieus lassen einen komplexen Kosmos entstehen, durch den wir einer starken weiblichen Protagonistin folgen. Wir erleben eine Hauptfigur, die Haltung zeigt – die mit kleinen Gesten und Sätzen aufbegehrt – die etwas verändern möchte, was sich kaum mehr ändern lässt. Trotz der verheerenden Konsequenzen, die sie dafür in Kauf nehmen muss.

So glaubhaft und fein sind die Unterschiede in der Figurenzeichnung in einer Konstellation roher Todesangst. Was es heißt, dort zu bleiben, sich zu arrangieren, offen oder verborgen Widerstand zu leisten, Geld fürs Alltägliche verdienen zu müssen, eine Beziehung zu führen und Liebe und Hass aus und in alle Richtungen zu erfahren. Regisseurin Daria Onyshenko erzählt aus der Perspektive der Ukraine, aber wir werden nicht geblendet von einseitigem Patriotismus. Mitunter verlieren sich die parallelen Stränge, aber man lernt es verstehen – so viel, was erzählt werden will und muss. Da ist aber auch eine Kamera, die uns mit ihren sinnlichen und schonungslosen Blicken Zeit gibt, um uns im Anschluss mit all der Härte der Situation zu konfrontieren. Es bleiben Fragen, Widerworte und am Ende vor allem das Empfinden der Dringlichkeit dieser Geschichte. Und sie könnte an so vielen Orten dieser Welt stattfinden. Auf Grund der vielschichtigen Erzählweise, der authentischen Darstellung und der deutlichen Ambivalenz kamen wir jedoch zu dem überzeugten Urteil, dass ›Zabuti‹, wie der Film im Original heißt, den diesjährigen Spielfilmpreis der Biberacher Filmfestspiele erhalten soll.

 

Silberner Biber
Gestiftet von Kaufmann & Kaufmann Steuerberater Partnerschaft mbB, dotiert mit 2.000 €

Julius Nitschkoff
für seine herausragende schauspielerische Leistung im Film „Bulldog“

 

 

Sonderpreis der Biberacher Filmfestspiele
Gestiftet von der Volksbank Biberach-Ulm, dotiert mit 2.000 €
Gewinner: Gerd Nefzer

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.