Am 18. Juni 2016 feierte die Oberschwäbische Barockstraße ihr 50jähriges Bestehen. An über 25 Orten gab es Sonderführungen, Erlebnisse in Oberschwaben zum Thema Barock. So auch in Biberach, die eine der Stationen auf der Hauptroute ist. Insgesamt gibt es vier Routen der oberschwäbischen Barockstraße mit einer Gesamtlänge von über 500 Kilometern auf deutscher Seite. Die südliche Route führt entlang des schweizerischen Bodenseeufers bis nach St. Gallen.
Barock – eine Kunstepoche, die die Sinne anspricht
Barock ist meist in stark geprägten katholischen Regionen zu entdecken. Biberach war wie andere freie Reichsstädte zeitweise mehrheitlich protestantisch. Die Kunstepoche des Barocks wird auch als Gegenreformation bezeichnet. Mit den üppigen farbigen Gestaltung der Kirchen dem prachtvollen Bau von Gebäuden, dem üppigen Lebensgefühl sollte die Herrlichkeit des Lebens präsentiert werden, die Sinne sollten angesprochen werden, während der Protestantismus Bilder und Prunk ablehnte und auf die Ratio setzte.
Biberach und das Barock
Biberach hatte schon sehr früh als freie Reichsstadt eine Stadtpfarrkirche Sankt Martin, die von beiden christlichen Konfessionen genutzt wurde. Die Stadtführerin Brigitte Bruschke zeigte in der simultanen Stadtpfarrkirche Sankt Martin, wo das barocke Katholische und das barocke Evangelische in der Kirche zu sehen ist.
Barock = Gegenreformation
Weshalb wurde das Barock als Begleitumstand der Gegenreformation bezeichnet? Die römisch-katholische Kirche setzte alles in Bewegung wieder ihre ehemaligen Mitglieder zurückgewinnen. Als Auslöser nannte Bruschke das „Konzil in Trient“ ab 1545 n.Ch.. Barock mit seinen heiteren fröhlichen Bildern war die das Gegenteil, des von den Protestanten vorgebenen Verzichts auf Bilder und Kunst. Der reformatorische Bildersturm im 16. Jahrhundert führte dazu, dass Bilder, Skulpturen von Christi und den Heiligen aus den Kirchen entfernt wurden. Auch in Biberach wurden 1531 die Tafeln von Martin Schongauer am Hochaltar gewaltsam herausgerissen. Später im August 1548 wurde die Kirche gleichsam von Protestanten und Katholiken genutzt. Jede Konfession hatte ihren Pfarrer und ihre Zeiten in der Kirche festgelegt.
Die barocke Zeitepoche, die das Ziel hatte die Pracht und Herrlichkeit der Kirche und des Himmels dem Volk nahe zubringen, sorgte auch für einen Zuzug von Künstlern und Handwerkern in die Region. „Die hohe Bautätigkeit und Barockisierung der Gebäude, Klöster und Kirchen brachte auch den wirtschaftlichen Aufschwung in den Süden“, weiß die Stadtführerin. Es wurde unter den Herrschern gewetteifert, wer den schönsten und prächtigsten Bau hat. Gelitten unter dieser kirchlichen als auch weltlichen Baufreude haben die Bauern, die als Leibeigene umsonst arbeiten mussten und oft zusätzlich hohe Abgaben und Steuern abverlangt wurden. Einzig bei der Wallfahrtskirche Steinhausen wurden die Bauern als Bauarbeiter bezahlt.
Barock in der Kirche
Während anfangs in den Kirchen eine Holzdecke zu sehen war, wurde im Barock eine Gipsdecke eingezogen. So entstand zusätzliche Malfläche, die von Kunstmalern mit biblischen Geschichten gestaltet wurde. Das große Deckenfresko im Mittelschiff der Stadtpfarrkiche Sankt Martin malte der Münchner Hofmaler Johannes Zick. Wichtig war, dass in der simultanen Kirche keine biblischen Szenen gemalt werden in denen den Menschen Schmerzen zugefügt werden, weil sie sich zu ihrem Glauben bekennen (Märtyrertod). Zick malte das komplette Leben von Jesu auf die Biberacher Kirchendecke. Die heilige Familie ist sogar zweimal abgebildet. In Biberach an der Riß fand der barockisierende Umbau der Stadtpfarrkirche zwischen 1746 und 1748 statt. Zick hatte mehrere Aufträge in Oberschwaben – auch in Bad Schussenried.
Auffallend ist, dass im Chorraum vergoldete Stuckarbeiten zu sehen sind. Dieser Bereich wurde von den wenigen dafür reicheren katholischen kaisertreuen Bürgern (Patrizier) bezahlt. Im Langschiff konnte Hofmaler Zick mit Farbe dreidimensional wirkende und heitere biblische Geschichten malen. Übrigens links auf den Altar blickend saßen die katholischen und rechts die evangelischen Bürger und es gab bis vor wenigen Jahren zwei Stromschalter, die je nach Konfession eingeschaltet wurden. Froh ist Marianne Bruschke, dass an einer Stelle noch die ehemalige gothische spitze Bogenform der Kirche zwischen zwei Pfeilern zu erkennen ist. Erst während der Barockisierung wurden die Bögen im Mittelschliff gerundet.
Barock, Gemälde, Goldschmiedekunst
Ein weiteres barockes Highlight ist im Museum Biberach zu entdecken. Neben Gemälden von Johann Heinrich Schönfeld (*1609 in Biberach), die zu den wichtigsten Werken des süddeutschen Barocks gehören, blinzelt juwelenbesetzt noch ein kleiner Blumenkorb aus der gesicherten Glasvitrine.
Dieser Blumenkorb stammt von Johannes Melchior Dinglinger. Dinglinger wurde ebenfalls in Biberach geboren (1664 – 1731). Mit diesem aufwendig gearbeiteten wertvollen Blumenkorb bedankte er sich sozusagen bei dem kunstsinnigen Kurfürsten Friedrich August I aus Sachsen, auch Barockfürst genannt. Dinglinger war der Hofgoldschmied in Dresden von „August dem Starken“, der auch zum König von Polen wurde. Viele seiner virtuosen spätbarocken Arbeiten sind heute im „Neuen Grünen Gewölbe“ der staatlichen Kunstsammlung Dresden zu sehen.
Dass dieser „Blumenkorb“, dieser Schatz wieder nach Biberach zurückkam, liegt daran, dass Bruno Frey diesen für 1,2 Millionen Deutsche Mark vor vielen Jahren auf einer Auktion ersteigert hatte und dem Museum zur Verfügung stellte. Das Geburtshaus von Johannes Melchior Dinglinger (*1664) ist in der Bürgerturmstraße 14. Heute befindet sich das Brillenfachgeschäft Bendel darin. Das Gebäude, in der heute die Allmansche Apotheke untergebracht ist am Holzmarkt, hat Dinglinger als Biberacher Residenz bauen lassen. Zwei Original-Kupferstiche sowie das Familienwappen der Dinglinger Familie erinnern in diesem Haus an diesen berühmten Sohn.
Ort: Stadtpfarrkirche Sankt Martin und Biberacher Museum, 88400 Biberach
Links
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