Die Preisträger der 39. Biberacher Filmfestspiele stehen fest. Bei 64 Filmen ist es unmöglich alle Filme gesehen zu haben. Daher bleibt es bis zum Schluss spannend, welcher Film ein Preis erhält. Dieses Jahr wurde die Eröffnungsfeier auf den Dienstag, 31. Oktober, den Reformationstag und außerordentlichen Feiertag, gelegt. Die Cineasten hatten also einen zusätzlichen Tag um Filme zu sehen. Fünf verschiedene Filme kann ein begeisterter Film am Tag anschauen. In vier Kinosäalen, die alle in einem Hause sind, laufen die Filme gleichzeitig. Es braucht daher Organisation, welcher Film zu welcher Zeit angeschaut werden kann. Doch dieses Jahr wurde der bisherige Besucherrekord erhöht auf 15.000 Besucher.
Übrigens Bedingung für die Nominierung im Publikumsfestival ist, dass der Film offizell noch nicht im Fernsehen oder im Kino gezeigt wurde. Der Film darf allerdings auf anderen Festivals schon gelaufen sien. Übrigens ein Publikumsfestival bedeutet, dass jeder die Möglichkeit hat am Festival teilzunehmen. Es gibt auch Festivals, da erhalten nur Filmschaffende, Filmkritiker oder Menschen, die berufsbedingt in der Filmbranche tätig sind, einen Zutritt. Ebenfalls ein besonderes Erlebnis ist in Biberach, die Filmschaffenden nach dem Film im Kinosaal befragen zu können. Das ist ein Zusatznutzen, ein Erlebnis, dass so manchen Film in einem anderen Blickwinkel zeigt.
Neu wurde dieses Jahr die Kategorie der Mittellangen Filme aufgenommen. Hier handelt es sich um Filme die zwischen 35 und unter 60 Minuten lange sind.
Folgende Preise wurden vergeben:
GOLDENER BIBER
Der Goldene Biber geht an den besten Spielfilm und ist dotiert mit 8.000 Euro. Eine fünfköpfige Jury (Jürgen Bretzinger, Bastian Cleve, Didi Danquart, Hans Geißendörfer und Jakob Pochlatko) einigten sich auf den Film FREMDE TOCHTER von Regisseur Stephan Lacant.
Filminhalt:
Die 17-jährige Lena verliebt sich in Farid, einen Moslem. Als sie ungewollt schwanger wird, freundet sie sich mit der Idee an zum muslimischen Glauben überzutreten. Die Mutter von Hannah versucht sie davon abzuhalten. Die Eltern von Farid nehmen Lena und ihren Glaubenswechsel nicht ernst.
Begründung der Juroren (Auszug):
Der Filmhat die Juoren mitten ins Herz getroffen. Kein Wohlfühlkino. Ein Film mit politischer Relevanz. Realistisch bis zur Schmerzgrenze. Zum Mitfühlen, Mitleiden, fast zum Verzweifeln. Eine vielschichtige Auseinandersetzung zwischen westlich-christlicher Lebenshaltung und dem Islam.
DEBÜT-BIBER & SCHÜLER-BIBER
Der Debüt-Spielfilm-Gewinner, dotiert mit 3.000 Euro wurde von den Juroren Robert Buchschwenter, Dr. Wladimir Ignatovski und Mareille Klein gewählt und heißt: BACK FOR GOOD (Regie: Mira Spengler).
Dieser Film wurde unabhängig davon auch von der Schülerjury (Regina Grimm, Lena Kächerle, Marlene Liz Olenberg, Daniel Merkel, Maximilian Quast) zum Gewinnerfilm gekürt. Der Schülerbiber ist dotiert mit 3.000 Euro.
Der Film handelt von drei Frauen. Monika, die Mutter, Angie, die ältere Schwester und Reality TV Sternchen und Kiki das Nesthäckchen sind eine Familie. Angie kommt nach einem Drogenentzug ins verhasste Heimatdorf zurück, die pupertierende Schwester Kiki hat Epilepsieanfälle und bekommt von ihrer Mutter einen Schutzhelm verpaßt. Kiki wird gemobbt. Die Schwestern beginnen sich gemeinsam aus ihrer Isolation herauszustrampeln. Was anfänglich nach einer Katastrophe aussah, entwickelt sich zu einer Chance für die Frauen.
Begründung der Juoren Debüt-Biber (Auszug)
Eine Figur tritt aus dem Scheinwerferlicht in den ungeschminkten Alltag und lernt Verantwortung für sich und ihre Nächsten zu übernehmen. Besonders das feine und lebendige Spiel der Hauptdarstellerin macht diese Entwicklung packend. Der Film überzeugt durch ein gutes Drehbuch, eine unaufdringliche, präzise Inszenierung und hervorragende Leistung von Kim Riedle.
Begründung der Juoren Schüler-Biber (Auszug)
Der Film profilierte sich durch die hervorragenden schauspielerischen Leistungen sowie seiner abwechslungsreichen Story. Die Protagonisten erschienen uns sehr überzeugend und sie durchliefen im Verlauf der Geschichte eine komplexe und authentische Charakterentwicklung.
FERNSEH-BIBER
Bester Fernsehfilm, Fernsehbiber wurde der Eröffnungsfilm DIE NOTLÜGE. Regie führte Marie Kreutzer.
Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert. In der Jury waren Jochen Nickel, Daniel Reich, Marco Wiersch.
Filminhalt: Hubert hat eine neue Freundin. Seine Exfrau mit seinen zwei Töchtern hat einen neuen Freund, von dem sie ein Kind erwartet. Das Patchwork-Leben funktioniert mittlerweile recht gut. Als Huberts Mutter Geburtstag hat, sind alle eingeladen. Doch die herzkranke Damen soll geschont werden und spielt ihr das alte Familienleben vor. Am Ende sind alle erschöpft von den Lügen und es kommt die Wahrheit heraus.
Begründung der Juoren (Auszug)
Aus einer kleinen Ausgangssituation gelingt es dieser Komödie etwas Unmöglihces. Mit lebensnahen, emotional glaubwürdigen Alltagsfiguren einen Gag auf den nächsten folgen zu lassen. Schauspieler, die einen ebenso großen Sinn für komödiantisches Timing wie für emotionale Wahrheiten beweisen.
Weitere Infos zum Film
DOKU-BIBER
Den Doku-Biber erhielt die Dokumentation ALGO MÍO – Argentiniens geraubte Kinder von den Regisseurinnen Jenny Hellmann und Regina Menning. In der Jury waren Klaus Becker, Michael Chauvistre, Silvia Häselbarth). Das Filmteam von Beer Brothers hat einen Preis in Höhe von 3.000 Euro gewonnen.
Handlung: Hilario und Catalina gehören zu den jüngsten und wehrlosesten Opfern der argentinischen Militärdiktatur. Beide wurden als Babys geraubt und regimetreuen Familien gegeben. Die eigenen Eltern der Babys waren Gegner der Diktatur. Davon erfahren die beiden erst als Erwachsene. Während Catalina im Gericht gegen ihre Zieheltern aussagt, verteidigt Hilario die Eltern seines Herzens.
Begründung der Juoren (Auszug)
Die Filmemacherinnen nehmen uns mit auf eine Entdeckungsreise in die innere Zerrissenheit der Protagonisten. Sie sehen genau hin, zeigen unerwartete Wendungen und lassen uns Konflikte und menschliche Abgründe hautnah erleben. Den Filmemacherinnen gelingt es, die moralische Bewertung allein dme Zuschauer zu überlassen. Ein Blick auf die Wirklichkeit, der ohne politische Rücksichtnahme auskommt.
Link zum Crowdfunding Video mit Jenny Hellmann und Regina Menning (Hintergründe zu diesem Projekt)
Link zum Trailer von Algo mío – Argentiniens geraubte Kinder
KURZFILM-BIBER
Der Kurzfilmbiber ging an WATU WOTE
Auf den Biberacher Filmfestspielen gibt es drei Kurzfilmblöcke in denen jeweils fünf bis sechs Kurzfilme gezeigt werden. Gewinner ist 2017 der Film „WATU WOTE“ von Katja Benrath. Die Juroren waren Wilfried Hippen und Douglas Wolfsperger. Der Preis wurde dotiert mit 2.000 Euro. Übrigens wurde dieser Film schon für den Studentenoskar in Los Angeles nominiert.
Handlung: Seit Jahrzehnten wird Kenia von Terroranschlägen der islamischen AlShabaab erschüttert. Zwischen den Christen und Muslimen wachsen Angst und Misstrauen. Bis im Dezember 2015 den Passagieren eine Reisebusses en beispielloses Zeugnis der Menschlichkeit gelingt.
Begründung der Juoren (Auszug)
Die Filmemacher wollten unbedingt einen postkolonialistischen Blick auf das afrikanische Land vermeiden. Das Drama ereignete sich vor zwei Jahren. Die Filmemacher recherchierten ausführlich vor Ort. Der Film ist wahrhaftig und sehr bewegend. Im Film werden menschliche Tugenden wie Courage, Solidarität und Mitgefühl gefeiert, die die Grenzen von Religion, Ideologie und Ressentiment überwinden können.
Nachfolgend der Trailer zu dem 22minütige Kurzfilm.
Ü-60-BIBER
Zusätzlich gab es dieses Jahr einen Preis für die Mittellangen Filme. Diese Filmkategorie nahm Intendant Adrian Kutter erstmalig auf in das Festivalprogramm. Dafür gibt es in Deutschland bisher noch keine Auszeichnung. Diese nominierten Filme waren zwischen 35 und 46 Minuten lang.
Der Ü-60-Biber ist dotiert mit 2.000 Euro. In der Jury waren wie im Kurzfilm Wilfried Hippen und Douglas Wolfsperger.
Gewinnerfilm ist NADRYW (Regisseurin Katja Ginnow)
Handlung: Als der 10-jährige Juri von seiner Lehrerin erfährt, dass er mit dem Ende der DDR auch keine Pioniere mehr gibt, beschließt er den westdeutschen Theaterregisseur Armin zu entführen, um damit von Helmut Kohl die DDR zurück zu erpressen. So möchte er doch noch sein rotes Pioniertuch bekommen.
Begründung der Juoren (Auszug)
Der Film ist eine märchenhaft satirische Zeitreise in das Deutschland der frühen 90er Jahre und es gelang den Filmemachern deshalb so gut, diese vergangene Welt heraufzubeschwören. Den Film durchzieht ein anarchistischer Humor und er ist so prall gefüllt mit kreativen Ideen, dass diese auch noch in Vor- und Abspann überschwappen.
PUBLIKUMS-BIBER
Neben der Schülerjury gibt es die Publikumsjury. Sie vergibt den Publikumsbiber, der mit 2.000 Euro dotiert ist.
Der Publikumsbiber wurde an den Film „SCHNEEBLIND“ von Regisseur Arto Sebastian vergeben.
Handlung:
Schneeblind spielt im Winter des Jahres 1946 im Schwarzwald. Der 16-jährige Peter ist blind und ist mit seinem Vater Heiner, einem ehemaligen SS-Offizier auf der Flucht. Der schwer verwundeten Karl soll sie über die schweizerische Grenze bringen, doch Karl stirbt vorher. Heiner bringt den toten Karl zu dessen Familie auf einen abgelegenen Hof im Schwarzwald. Sie hoffen dort, dass das Versprechen von Karl doch noch eingelöst wird. Doch es passieren schicksalhafte Ereignisse.
Begründung der Juoren (Auszug)
Der Film beeindruckt als düsteres und bildgewaltiges Kammerspiel. Hervorragende Schauspieler bestechen auch in stillen Momenten mit starker Präsenz. Gepaart mit einer mutigen Kameraführung und stimmungsvoller Musik zeigt uns der Film durch die historische Brille, dass in Extremsituationen mancher Mensch bereit ist über Leichen zu gehen.