Die re:publica in Berlin ist eine Konferenz rund um das Thema Internet, dem Wandel in unserer Gesellschaft. Ich beschreibe sie als die Konferenz, die digitale Themen aufgreift und darüber reflektiert was es mit uns macht.
Unvergessen bleibt mir das Erlebnis auf dem Ausstellungsstand des ZDFs an der re:publica 2017. Wie im vergangenen Jahr konnte mit Hilfe einer VR (Virtuell Reality) Brille in ein visuelles Erlebnis erprobt werden. Dieses Jahr kam allerdings dazu, dass der Körper eine Aufgabe bekam. Und dies war anders.
Ein sehr intensives Erlebnis war diesmal die Aktion mit dem Holzbrett auf dem Boden. Eine körperlich emotional gefesseltes Virtual Reality Erlebnis. Auf dem Boden lag ein Holzbrett. Es war gerade ruhig und ich kam ohne großes Warten an die Reihe. Es wurde mir die Brille und zusätzlich noch Kopfhörer aufgesetzt. In die Hand wurde mir eine Art Fernbedienung gelegt. Eine Stimme sagte zu mir: „Sie befinden sich nun in einem Fahrstuhl – sehen sie schon die Knöpfe? Wenn ja zeigen sie mit der Fernbedienung auf den Startknopf“. Gehört und getan. Ich sah die Fahrstuhltüren vor mir schließen. Ich hatte das Gefühl und meinte auch zu hören, dass ich nun nach oben fuhr. Im Spalt der Fahrstuhltüren sah ich Licht, Flimmern, wie wenn man ein Gebäude hochfährt. Oben angekommen öffnete sich die Fahrstuhltür. Ich befand mich nun im gefühlten 30sten Stockwerk eines Hochhauses und das Holzbrett hing freischwebend über dem Abgrund. Also drunter einfach nur Tiefe. Eine Stimme sagte mir, dass ich auf dem Holzbrett laufen soll. Ich setzte den Fuß auf das Brett, stieg aus dem Fahrstuhl. Nun stand ich da. Unter mir nichts, um mich nur Wolkenkratzer, Hochhäuser unter mir eine Straße, ein Park mit Bäumen angedeutet. „Auf dem Holzbrett laufen. Ok“, dachte ich. In Wirklichkeit stand ich auf einem Holzbrett, das auf dem Boden des ZDF-Ausstellungssttandes lag – doch der Körper fing an sich balancieren zu wollen. Ok. Ich streckte die Arme aus um Balancieren zu können. Die Schritte waren für mich zu wackelig. Ich hüpfte also mit einer gewissen Körperspannung auf dem Holzbrett nach vorne ans Ende. Ich hatte sogar das Gefühl, dass das Brett nachwippt, wie wenn man vom Sprungbrett ins Wasser springt. Vorne angekommen, stand ich und schaute in die Tiefe. Es gibt einen körperlichen Widerstand. Ich konzentriere mich darauf: Es ist ein Brett, das auf dem Boden liegt. Wobei dieser Gedanke immer flüchtiger wurde. Dann wechselte ich die Strategie. Also Springen. Es muss sich anfühlen wie Bungee Jumping – nur ist unten kein Wasser. Ich erinnerte mich an das Video von meinem Sohn. Ich atmete langsam tief ein, schloss die Augen und sprang nach vorne in die Tiefe dieser virtuellen Stadt. Im sogenannten Flug riss ich mir den Kopfhörer und die Brille vom Kopf. Ich freute mich, dass ich mich getraut hatte, auch wenn ich mich wackelig fühlte. Die Gedanken sind ja blitzschnell, schneller als die Buchstaben hier geschrieben sind. Ein Mitarbeiter sagte, „So hat es auch noch niemand gemacht“. Die Mitarbeiterin fragte mich, wie war die Landung? Ich irritiert: „Ach so. Es gibt auch eine Landung. Die habe ich nun nicht mitgemacht“. Sprach es und dachte sofort: Also gut. Dann spring ich nochmals am nächsten Tag.
Der Moment, auf dem Brett, wenn Du springst – die Bilder was unter dem Holzbrett war, die Höhe … Du vergisst es nicht. Trotzdem am nächsten Tag stand ich in der Warteschlange an. Diesmal sah ich, dass die Anderen auf einen Bildschirm an der Seite starrten. Dort wurde gezeigt, was derjenige der auf dem Brett steht sieht. Ich dachte noch: „Oh, da bin ich aber gestern unvorbereiteter aufs Holzbrett gegangen.“ Ich überlegte mir noch, ob dieses Beobachten mich beeinflusst hätte. Egal. Jetzt springe ich zum zweiten Mal. Gleiches Prozedere. Mit Brille und Kopfhörer geht es mit dem Fahrstuhl nach oben, aus dem Fahrstuhl raus, aufs Brett treten, keine Füße sehen, ans Ende des Brettes Schritt für Schritt laufen und gewillt sein nach links zu springen. Doch dann stand ich am Ende des Brettes schaute nach links und vorne in die Tiefe. Der Körper wollte nicht. Ich denk mir: „Wow – gestern ging dies leichter.“ Innehalten. Was war gestern anders? Warum kommt da auch noch Tagesform hinzu. „Ich will ja nur springen, um die Landung zu sehen“, denke ich. Weshalb geht der Sprung nicht. Auch die Gedanken von gestern: Bungee Jumping. Nichts half diese Hürde einfach zu überwinden. Wieder Kopfarbeit. Übrigens der Gedanke – es ist nur ein Brett und ich springe keine 3 Zentimeter tief – meilenweit weg. Konzentration: Ich will springen, weil ich die Landung sehen will. Sprung. Und die Landung? Das Flimmern beim „Runterfallen“ war schneller als bei der Fahrstuhlfahrt. Bei den letzten 10 Metern ist es dann wie ein Filmriss. Weiße geometrische Formen. Sonst nichts. Sieht so der Tod aus? Unspektakulär.
Doch, was habe ich gerade geschrieben? Gefühlte 10 Meter vor dem Aufprall? Tod? Schon verrückt. Der Hüpfer war niedliche drei Zentimeter tief. Jedes Umknicken mit Highheels kann tiefer sein. Petra-Alexandra hat ein Foto gemacht, wie ich mit leicht angewinkelten Knien und Equipment die Landung erlebe.
Fazit: Nach der Landung hat man wackelige Füße, länger als ohne zu Wissen wie die Landung aussieht. Und wie Du gerade liest: Zwischen Schreiben und Erlebnis liegen fast drei Wochen. Es ist sehr intensiv. Einerseits genial was dies mit einem macht. Wie Erlebnisse in Räume, Landschaften virtuell besucht werden können. Andererseits macht es Angst, denn es macht etwas mit einem. Du kannst erschreckt werden, es kann Ängste erzeugen und dies hat einen anderen psychologischen Effekt als „nur“ einen schlechten Film zu sehen. Virtual Reality appelliert an das ureigenste Körpergefühl. Dieses Körpergefühl auszutricksen kann höchst gefährlich sein. Und dann nicht zu vergessen, welche Persönlichkeit der Mensch braucht um NEIN zu sagen: Das mache ich nicht, weil es mir nicht guttut. Es waren einige Menschen dabei, die als die Fahrstuhltür aufging das Experiment abgebrochen haben. Respekt. Für mich selbst die Erfahrung, wie unerschrocken ich manches einfach tue. Es waren ja nur drei Zentimeter Hüpfen.