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Wain und die Erinnerung an Bethlehem

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Wain ist ein kleines Dorf mit 1500 Einwohnern südlich von Ulm. Es ist ein ländlich geprägter Ort in einem waldreichen Gebiet. Entlang der Hauptstraße überrascht ein barockgelbes Schloss, welches in Privatbesitz ist und ein Ortsschild, auf dem Bethlehem steht.

Michaelskirche-Wain-1„In der Dorfmitte von Wain steht vermutlich die älteste evangelische Kirche in Oberschwaben“, sagt Pfarrer Ernst Eyrich. Die Michaelskirche wurde 1687 gebaut. An dem Platz stand im Mittelalter eine kleinere gotische Kirche. Da im Jahre 1650 viele protestantischen Glaubensflüchtlinge aus Österreich nach Wain kamen wuchs die Gemeinde in kurzer Zeit. Die Kirche wurde bis auf ein Mauerstück rückgebaut und neu erbaut und vergrößert. Dieses alte Mauerstück ist heute Teil in der nördlichen Kirchenschiffwand.

Die Protestanten mussten damals aus Kärnten und der Steiermark fliehen. Laut Pfarrer Eyrich gibt es viele Besonderheiten in der Kirche, die besonders das Thema Taufe in den Mittelpunkt stellt.

Michaelskirche-Wain-InnenSo ist der Altarraum als eine halbe achteckige Wabe gebaut. Würde dieses Achteck gebaut sein, wäre imaginär gespiegelt werden zu einer ganzen Wabe, würde der Taufstein exakt den Mittelpunkt bilden. Die Zahl Acht kann verschieden interpretiert werden. „Der achte Tag ist der Tag der Auferstehung Jesu Christ von den Toten. Mit der Auferstehung beginnt die Neuschöpfung der Welt, ein Umbruch etwas Neues beginnt aus dem Alten“, erzählt Pfarrer Eyrich. „Früher galt es eigentlich als Skandal, wenn im Altarraum mittig ein Taufbecken platziert wurde“, fügt er hinzu. Meist stehen die Taufbecken an der Seite oder in einer Ecke. Ein Ungetaufter durfte früher nicht den Altarraum betreten. Der Taufstein in der Michaelskirche steht zwischen Altar und Kirchengemeinde und ist ein elegantes Kunstwerk aus Marmor auf einem Balusterfuß. Der geschnitzte Holzdeckel ist aufwendig mit Fruchtornamenten und den Initialen der Stifter bestückt. Per Pendelzug kann dieser aufwendige Deckel nach oben gezogen werden. Die Kanzel ist aus Nussbaum gefertigt und es sind ebenfalls üppige geschnitzte Früchtearrangements angebracht. Gegenüber der Kanzel ist die Loge der Grafenfamilie.

Michaelskirche-Wain-ExulantAuf der Südseite des Kirchenschiffs ist eine Exulantentafel angebracht. Exulanten wurden protestantische Glaubensflüchtlinge des 16. bis 18. Jahrhunderts genannt, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Im 17. Jahrhundert kamen viele evangelische Familien aus Arriach in Kärnten sowie aus der Steiermark nach Wain, in das „gelobte Land“, welches die freie Reichstadt Ulm 1650 den Flüchtlingen zur Verfügung stellte. „Auf der Tafel ist der Zug der Kärntner mit vielen Kindern abgebildet, zusammen mit Abraham und seiner Familie“, erklärt der historisch kundige Pfarrer. Es ist eine Aufbruchgeschichte, der Ortsteil beannten die Zugezogenen „Bethlehem“.

Michaelskirche-Wain-EmporeAuf der Empore gegenüber dem Altarraum, die niedrig wirkt, steht eine Orgel die optisch an den Kirchenraum 1967 angepaßt wurde. Die Orgel hat 17 klingende Register. „Das Gemälde der Auferstehung an der Empore bildet exakt den Kreuzpunkt der Laufwege entlang der Kirchenbänke und der Außentüren“, weiß der Pfarrer. Eyrich erzählte, dass die Längenmaße der Kirche immer durch die Zahl drei geteilt werden können. Für ihn ist die Kirche, ihre Gemälde, eine konsequente Umsetzung der Trinität, der Dreieinigkeit.

Michaelskirche-Wain-TaufporAn der Südseite der Michaelskirche wurde 2002 das Taufportal angebracht. Es ist eine doppeltürige Bronzetür mit sieben Szenen aus der Bibel abgebildet. Diese Tür wurde hergestellt von dem schwäbischen Bildhauer Ulrich Henn, der einige Kirchenportale in Deutschland und in der USA geschaffen hat. So auch eine filigrane Gittertür in der National Cathedral in Washington DC. Die figürlichen Szenen an der Bronzetür sind aus einem Guss gegossen worden, freut sich Eyrich über dieses Spätwerk des Bildhauers, der damit seine Technik und seinen Stil perfektionierte.

Wain-DorfbrunnenErwähnt sei auch der zentrale Dorfbrunnen, der zwischen Gemeindehaus und Rathaus, gegenüber dem Pfarrhaus und nahe der Michaelskirche steht. Bei dem Entwurf und Umsetzung konnte Pfarrer Eyrich seine Ideen miteinfließen lassen. Die Grundform des Brunnens bildet ein Achteck, angelehnt an den Chorraum der Kirche. Der grüne Tauernstein liegt in der Mitte des Achteckes und kommt aus Kärnten. Laut Eyrich symbolisiert der Stein eine grüne Insel. Wain war bis Ende des zweiten Weltkrieges eine evangelische Insel im sonst katholischen Umland. Die Frau zieht einen Leiterwagen, symbolisch für die Flucht, in der nur das Nötigste mitgenommen werden konnte. Die aufgetürmten Teller symbolisieren Variationen, wie mit Sorgen umgegangen werden kann. Der fröhliche dreinschauende Junge soll daran erinnern, dass Kinder und die Jugend oft unbekümmert und mit Neugier auf Neuland reagieren.

Ein Blick in die Geschichte lässt daran erinnern, dass Flüchtlinge unfreiwillig ihre Heimat verlassen mussten.

Wain-Bethlehem

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