Hortobágy liegt im Herzen der Puszta in Ungarn in der nördlichen Tiefebene. Neben dem kleinen Dorf ist das Informationszentrum des Nationalparks Hortobágy sowie das Hirtenmuseum, das Handwerkermuseum, die Handwerkerhöfe und ein Gasthaus. Das Vogelkrankenhaus ist ebenfalls am Ortseingang – kurzum alles ist um den Verkehrskreisverkehr angeordnet. Wenige Meter nach dem Hirtenmuseum überquert man die legendäre neunbogige Steinbrücke.
Besuch in einem Vogelkrankenhaus
Im Eingangsbereich erwartet uns zuerst ein kleiner musealer Raum mit präparierten Vögeln und Tieren, die Gefahr oder Nahrung für sie sind. Die Namen der Tiere sind in ungarischer, deutscher und englischer Sprache angeschrieben. Trotz geöffneter Fenster roch es unangenehm. Hinter der nächsten Tür ging es zur Pflegestation der Vögel. Während in den Wintermonaten drei bis vier verletzte Vögel in der Woche angeliefert werden, sind es im Sommer täglich soviele.
Die Hauptgründe sind Unfälle, Elektroschock und Vergiftungen. Unfälle entstehen, wenn der Vogel mit einem Auto oder einem Lastwagen zusammenstößt. Im Nationalpark verläuft die Straße 33, eine wichtige Ost-West-Verbindung. Schon im Mittelalter war dies eine wichtige Handelstraße, genannt Salzstraße. Es kommt immer wieder vor, dass ein Kranich oder Mäusebussard etwas tiefer fliegt, ein fahrendes Auto trifft und sich dabei den Flügel brechen kann. Neu war uns die Verletzungsart Elektroschock. In Ungarn gibt es noch viele alte Überspannleitungen mit Kabel, die relativ nah beieinander sind. So kann ein Storch, wenn er seine Flügel ausspannt beide Kabel berühren und erhält dabei einen Stromschlag. Das hat zur Folge, dass die Gliedmaßen nah am Kabel verbrannt sind und ambutiert werden müssen. Der dritte Einlieferungsgrund: rund 10 Prozent der Vögel haben Rattengift gefressen. Die Menschen legen vergiftete Maiskörner aus, um das Rattenproblem in Griff zu bekommen. Die vergifteten Ratten sind leichte Beute für die Greifvögel, die sich daran selbst vergiften.
Mittlerweile wurden viele Elektroleitungen in die Erde verlegt oder sind besser isoliert. Trotzdem gibt es noch tausende Kilometer dieser tödlichen Leitungen. János Balàres ist Mitarbeiter und erklärt uns die Arbeit im Vogelkrankenhaus. Neben den Zimmern gibt es auch einen OP-Raum. „Es kann einer OP zugeschaut werden oder wie ein gebrochener Flügel geschient wird“, erzählt er und zeigt die Stifte und Hilfsmittel. Der kranke Vogel bleibt mehrere Monate im Krankenhaus. Der Heilungsprozess einer Schleiereule nach einem Unfall mit gebrochenem Flügel kostet 100.000 Forint, ca. 300 Euro. Wenn der Flügel wieder geheilt ist, kommt der Vogel stufenweise in immer größere Volieren, um das Fliegen wieder zu üben und sich wieder selbst zu versorgen. Es ist ein stufenweises Lernen. „Kommen sie zu schnell in die große Voliere, verletzen sie sich wieder“, erzählt János. Es gibt auch Vögel, die aufgrund ihrer Amputation nicht mehr freigelassen werden können. So auch ein Steinkauz, der allerdings mit einer Steinkauz-Patientin gemeinsam den Nachwuchs ausbrütet. In einem weiteren Raum lernt der Eulennachwuchs das Fliegen. Ihre Eltern können nicht mehr fliegen und so wird ein Trainingscamp für die Jungvögel eingerichtet. In einem nachgebauten Naturraum bewegt sich eine Maus, die es gilt zu fangen.
Es gibt auch eine Voliere mit Elektroleitungen. „Wenn sich die Vögel darauf setzen, erfahren sie einen leichten Stromfluss. Sie erleiden keine Schmerzen, doch das wenige reicht aus, um sie darauf zu konditionieren nicht mehr auf die Leitungen zu sitzen“, beschreibt János den Lerneffekt.
Die „Überlebungsvoliere“ ist sechs Meter hoch und hat einen Durchmesser von 25 Metern. Hier lernen die Vögel wieder selbst Beute zu fangen und auch die Gefahren der Natur einzuschätzen. In der Großvoliere mit 50 Meter Durchmesser müssen die Vögel lernen wieder sich Rangordnungen zu erkämpfen. So sind Mäusebussarde, Seeadler und Störche gemeinsam darin untergebracht. Der Mäussebussard lernt sehr schnell, dass er die Beute des Seeadlers nicht angreifen darf. Er würde im Kampf unterliegen. Und ein Mäussebussard lernt auch sehr schnell, dass eine Storchenmama sehr aggressiv werden kann, wenn er sich den gerade ausgeschlüpften Jungstörchen nähert. Ein Elternteil paßt immer auf die Eier bzw. die Jungtiere auf.
János stellt uns noch den Kohlraben (Holló) vor. Er heißt Negro und begrüßt uns mit „Servus Negro“.
Im Vogelkrankenhaus sind sechs Angestellte beschäftigt und zwei Freiwillige, die am Wochenende aushelfen. Im Nationalpark Hortobágy können Mäusebussarde (Egerészólyom), Seeadler (Rétisas), Weißstörche (Fehér Gólya), Steinkauz (Kurik), Schleiereulen (Gyöngybagoly) und sehr seltene Vogelarten beobachtet werden. Im Herbst verweilen mehrere tausend Kraniche einige Tage im Nationalpark bevor sie weiter nach Afrika in ihr Winterquartier ziehen. Es muss ein gigantisches Naturschauspiel sein.
Das Vogelkrankenhaus beeindruckt. Zahlreiche Schulklassen und Familien zählen zu den Besuchern und erfahren einmal mehr, wie wichtig es ist, Verantwortung für Tiere und Umwelt zu übernehmen. Die Einrichtung ist auf Spenden angewiesen, das bei dem niedrigen Einkommen der Ungarn hohe Anerkennung verdient. Herzlichen Dank an János Balàres, der uns diesen Einblick und Informationen in die Arbeit im Vogelkrankenhaus gab.
Fotos/Autor: Inge Veil-Köberle
Ort: Madárkórház Alapítvány, Hortobágy, Petöfi tér 6, 4071 Ungarn
Link zum Vogelkrankenhaus (Madarpark)
Link zu einem Video des Vogelkrankenhauses Madarpark