Oder lieber Pilgern?
Und wer will gemeinsam beten?
In den katholisch geprägten Regionen ist eine Wallfahrt nach wie vor in vielen Mündern. Es ist eine traditionelle Reise, die zu einem religiösen Ort führt um Jesu Christ, der Mutter Maria oder einen Heiligen zu ehren. Auch andere Religionsgemeinden haben Stätten, an die die Gläubigen reisen, um die Kraft dieses besonderen Ortes zu spüren.
Eine Wallfahrt war und ist immer auch ein soziales Ereignis, sie führt zu Begegnungen und Austausch zwischen Teilnehmern. Wallfahrten waren oft von katholischer kirchlicher Seite für eine Gruppe von Gläubigen organisiert. Heute stehen organisierte Gruppenreisen weniger im Fokus, eher die Individualreise an einen Ort. Es wird gepilgert, meist alleine. Der Weg ist das Ziel.
Somit lässt sich ein kleiner Unterscheid feststellen zwischen dem „wallfahren“ und dem „pilgern“. Wallfahrten starten zu einem Ort, gepilgert wird eher alleine oder zu Zweit. Wallfahrer beten zusammen, Pilger sind auf dem Weg. Der Weg ist das Ziel, ob im stillen Monolog oder im Gespräch mit anderen Weggefährten. Zahllose Filme über den Jakobsweg, der quer durch Europa ins spanische Santiago de Compostela führt, beschreiben oft einen „Selbstfindungsweg“ und dabei kann die Religion völlig in den Hintergrund treten.
Ein besonderes Erlebnis ist das Pilgern zu Pferde. Hier wird betend durch Wald und Fluren geritten, dabei wird die Schöpfung besonders intensiv empfunden. Es ist gar nicht einfach in einem Prozessionsritt gemeinsam zu Beten. Der Abstand zwischen Reitern ist groß, die Pferde gehen nicht gerade leise und der Pfarrer, der den Rosenkranz vorbetet, reitet traditionell vorne in der Gruppe. Das erfordert lautes und deutliches Beten jedes Einzelnen, damit alle in den Kanon einstimmen zu können. In großen Reitergruppen mit bis zu 50 Mitgliedern ist es eine große Herausforderung. Klappt es, ist es ein freudiges Gemeinschaftserlebnis.
In Oberschwaben gibt es mehrere Prozessionsritte, zu denen sich Reitergruppen mit ihren Pferden anmelden. Es gibt über hundert Gruppen, auch „Blutreiter“ genannt. Der Begriff stammt von der traditionellen Teilnahme am „Blutfreitag“. Seit hunderten von Jahren wird dieser Tag in Weingarten gefeiert, zu Ehren des Heiligen Blutes Christi. Die Reiterprozession gilt als eine der größten in Europa. Jährlich nehmen an die 3.000 Reiter mit ihren Pferden am Blutfreitag, am Freitag nach Christi Himmelfahrt, teil.
Weitere Flurprozessionen in Oberschwaben:
Erster Sonntag im Mai:
Sankt-Georgs-Ritt in Ochsenhausen; ca. 600 ReiterInnen
Freitag nach Christi-Himmelfahrt:
Heilig-Blut-Ritt in Weingarten; ca. 3.000 Reiter, Männerwallfahrt – Reiterinnen nur als Ministranten
Zweiter Freitag im Juli:
Blut-Ritt in Bad Wurzach: ca. 1.500 ReiterInnen
Dritter Sonntag im September:
Sankt-Wendelinus-Ritt in Gutenzell/Niedernzell, ca. 500 ReiterInnen
Fotos/Video von ivk/@upperswabia; Musik David Löhstana