Die zweitgrößte Stadt in Ungarn hat 210.000 Einwohner, liegt in der Nördlichen Tiefebene, nahe der Rumänischen Grenze und ist eine der sonnenreichsten Regionen in Ungarn. Eine aufstrebende Stadt, die die letzten Jahre sehr viel renoviert und gebaut hat. Über 30.000 Studenten verteilt auf 15 Fakultäten sind in Debrecen am Lernen. Neue und alte Gebäude stehen nebeneinander. Die Innenstadt ist sehr gepflegt, modernes und traditionsbewußtes Denken liegen nah beieinander. In den Außenbezirken fällt auf, dass ein kleines Schrebergartenhaus neben einem neuen Einfamlienhaus stehen kann. Debrecen gilt als wohlhabende Stadt.
Das Wappen zeigt einen Phönix und ein Lamm. Wie Phönix aus der Asche versteht es die Stadt immer wieder neu aufzustehen, trotz aller Widerstände. Die Geschichte sagt, dass die Kirche einmal vollständig niederbrannte bis auf den Stein mit der Abbildung dem Lamm, der nicht zerstört wurde. Das Lamm Gottes ist das älteste Zeichen für Jesus Christus und dessen Auferstehung.
Kirche – Glaubensfreiheit
Die große reformierte Kirche bildet das Zentrum und ist zugleich die größte protestantische Kirche in Ungarn. 3000 Menschen kann das Gotteshaus aufnehmen. Vor der Kirche erinnert eine Gedenktafel daran, dass ein Stadtvater zur reformatorischen christlichen Gemeinde einmal sagte: „Wenn aus diesem abgebrochenen Ast ein eigener Strauch erwachsen sollte, dann wird aus der reformatorischen Bewegung eine Religion.“ Nun, der Stadtvater sah einen Strauch wachsen und die Religion feiert im Jahr 2017 ihr 500jähriges Bestehen.
Religionsfreiheit hat in Debrecen eine hohe Bedeutung, so die Tourismus Managerin Lívia Darin-Séllei. Es gibt zwei Synagogen, eine griechisch orthodoxe Kirche und an fast jedem Eingang der Stadt steht eine protestantische Kirche. 1991 (2001) entschuldigte sich Papst Johannes Paul II in der großen reformierten Kirche dafür, dass es Zeiten gab, bei denen die christlichen Glaubensbrüder verfolgt und weggebracht wurden. Ein sehr wichtiges Signal für die protestantische Gemeinde.
Kultur
Ungewöhnlich ist die Tatsache, dass eine Stadt, die die größte protestantische Gemeinde in Ungarn hatte und eine Hochburg des Calvinismus war, ein Theater im Jahre 1861 baute. Grund war „Weil wir es können“ und so wurde es gebaut. Allerdings tragen die Felder, die für den Bau des Theaters geopfert werden mussten, bis heute den Namen „Traueräcker“. Trotzdem für Neuerungen waren die Debreciner grundsätzlich immer offen. Heutzutage gibt es fast jedes Wochenende ein Festival, im Theater wird internationales Programm angeboten. Der Blumenkarneval, ein Ereignis, das tausende von Besuchern anzieht, ist ein Umzug mit farbenprächtigen blumengeschmückten Wagen, Figuren und Tieren.
Debrecen hat mehrere Kunstmuseen – zwei seien genannt das Déri-Museum und das Moderne Kunstmuseum. Der Grundstock für das erstgenannte Museum bildete die Sammlung von asiatischen, ägyptischen und griechischen Schätzen sowie heimischer Volkskunst, die der Wiener Seidenfabrikant Frigyes Déri vor knapp hundert Jahren der Stadt gestiftet hat. Hier hängen auch drei Ölgemälde mit jeweils sechs Quadratmeter von Munkácsy Mihály (1844 bis 1900) in einem eignes dafür temperierten Raum. Sie stellen die letzten Tage Jesus dar.
Bildung
Das Reformierte Kollegium ist seit dem 16. Jahrhundert ununterbrochen ein Ort an dem die akademische Bildung das Ziel war. Westliche und geistliche Strömungen wurden in den Lehrplan aufgegriffen. Der Andachtsraum wird heute noch von den Schülern genutzt. Das Parlament tagte 1849 in diesem Raum, als Lajos Kossuth über die Unabhängigkeit Ungarns abstimmen lies. Namensschilder an den Sitzplätzen erinnern daran, wer wo saß.
Das Kollegium bildete auch die Grundlage für die Gründung der Universität im Jahre 1912. Im Schulmuseum wird eine Europakarte gezeigt, auf der weitere reformatorische Kollegien angezeigt sind. Mit Hilfe eines Trafos, der angekurbelt wird, leuchten die Lämpchen der verschiedenen Orte in Europa auf. Auch die ausgestellte Dampfmaschine im Schulmuseum funktioniert heute noch und zeigt, dass interaktive Lehrmaterialien bereits Ende des 18. Jahrhunderts eingesetzt wurden. In einem weiteren Teil des Gebäudes ist die größte kirchliche Bibliothek in Ungarn aufbewahrt. Die Bibel kann hier in 200 (Korrektur: 250) verschiedenen Sprachen eingesehen werden. Weiter ist auch eine Ausstellung der Kirchenkunst zu besichtigen.
Das Hauptgebäude der Universität ist ein klassizistischer Bau. Wer es betritt kann sich gut vorstellen, welche Ehre es doch ist studieren zu dürfen. Vor dem Eingang breitet sich ein großes Springbrunnenbecken aus, in dem jeder Student ein Bad nimmt – wohlgemerkt nach seinem Abschluß. 😉 Die Universität beherbergt 22 verschiedene Fakulitäten wie Medizin, Agrarkultur und Jura. Nach einigen neueren Gebäuden schließt sich der botanische Garten und das Agora an das Unigelände an.
Agora ist ein Science Museum, in dem spielerisch physikalische und naturwissenschaftliche Phänomene ausprobiert werden kann – nicht nur was für Kinder, macht auch Erwachsenen sehr viel Spaß. Wir waren die letzten Besucher, die das Haus an diesem Tag verlassen haben. Im gelben Raum hatten wir festgestellt, wie leicht es ist „farbenblind“ zu sein. Eine andere Form zu sandeln erkennt man im nachfolgenden Video. Berge werden angehäufelt, tiefe Meere entstehen, wenn der Sand herausgenommen wird. Es gibt ein deutsches Begleitheft, das die Phänomene gut erklärt. Leichter verständlich als es in einem Physikbuch steht. Und dazu viele BetreuerInnen, die in englischer oder deutscher Sprache an den Stationen zur Lösung halfen oder Impulse gaben.
Aqua, Aqua, Aqua
Einen begehbarer Wasserspringbrunnen, der abends illuminiert ist, habe ich in dieser Form auch noch nie gesehen. Die höchste Fontäne ist 18 Meter hoch, die konnten wir sehen, als wir auf die Plattform des noch heute genutzten Wasserturmes (Nagyerdo) gestiegen sind. Der 42 Meter hohe Wasserturm wurde 2015 renoviert. Nach 207 Stufen kann nicht nur mit dem Fernrohr auf die Stadt geblickt werden, sondern im Echofenster seine einem Echo lauschen. Die weit entfernten Kirchtürme der Reformierten Kirche, der Stadtwald, das neugebaute moderne Stadion für 22.000 Zuschauer, der Blick auf das Klinikgelände und das städtische Familienerlebnis-, Frei- und Thermalbad. Zudem gibt es eine Kletterwand mit 430 Griffen, die mit Anmeldung erklettert werden kann.
Bäder – eine Besonderheit in Ungarn. Jede Stadt hat mindestens ein Thermalbad, dazu kommt ein Familienerlebnisbad und natürlich ein Strandbad (Freibad) mit verschiedenen Becken zum Schwimmen und Planschen. Im Aquaticum Debrecen wurde 2014 alles neu renoviert und saniert. Das Familienbad mit seinen vielen Grünpflanzen ist ein schöner Ort, falls mal die Sonne nicht scheint. Und von der neuen Sauna, dem neuen Wellnessbereich und und und gar nicht zu sprechen. Pfiffig finde ich die Idee mit einer Art flachen eleganten Armbanduhr das Schließfach zu öffnen und damit Bezahlen zu können. Damit erübrigt sich das Mitnehmen von Geldbörse und sperrigem Schließfachschlüssel während des Aufenthaltes.
Grün und der Stadtwald
Tatsächlich, es ist kein Park – es ist ein Wald. Abgesehen, dass auch Wege darin verlaufen, wirkt es stellenweise wie ein Bannwald. Es gibt auch Parks, in ihm haben wir das Schild 5 % entdeckt. Trotz vieler Grünflächen – es ist die nördliche Tiefebene – es gibt keine Hügel und keine Berge, Debrecen liegt auf 121 Meter Höhe.
Shopping
Es gibt ein Einkaufszentrum, das Shops und Marken anbietet, die es auch bei uns in den deutschen Städten gibt. Die Preise sind in diesem Fall wie bei uns.
In der großen Markthalle werden regionale Produkte angeboten, so auch Trüffel und andere schmackhafte Pilze. Wer über den Blumenmarkt läuft kann die Menschen beobachten, mit welcher Pflanze sie das heimische Gärtchen verschönern werden.
Essen
Die besten Debreciner Würste kommen natürlich aus Debrecen selbst. Im verkehrsberuhigten Bereich, neben dem Kossuth Platz und nahe der großen reformierten Kirche, ist das Hotel „Zum Goldenen Stier“ mit geschichtsträchtigem Ambiente, das auch für Nichthotelgäste einen günstigen Mittagstisch anbietet.
Abends waren wir in der Schrottbar – Roncsbár
Ein Lokal, dessen Interieur schon das Interesse weckt. Da muss noch keine Band oder sonstiges Event geboten sein. In einem Raum ist die Decke mit Schlagzeugbecken behängt … kurzum ein überlegtes Zusammenhängen von Fundstücken vom Schrottplatz und Flohmarkt.
Fazit:
Debrecen ist ein sehr hübsches sauberes Städtchen. Auch geeignet für einen Wochenend-Städteurlaub – ob als Familie, Single oder Ehepaar. Debrecen ist mit dem Flieger von München in zwei Stunden erreichbar. Ungarn ist günstiger, um sich im Thermalbad oder in der Wellnessoase verwöhnen zu lassen. Auch das kulturelle Angebot ist überraschend gut. Das Agora-Museum hat Spaß bereitet und es fasziniert mich immer wieder.
Großes Danke auch an Lívia Darin-Séllei vom Tourismusbüro in Debrecen, die uns eine umfangreiche sehr informative Stadtführung schenkte.
Text und Fotos: Inge Veil-Köberle
Wer noch einen weiteren Bildereindruck gewinnen möchte: